Fliesenkleber, Putze und andere Bauprodukte in Altbauten können Asbest enthalten. Wann Handwerker davon ausgehen können, dass sich Asbest im Gebäude befindet, und unter welchen Bedingungen dennoch handwerkliche Arbeiten ausgeführt werden können, lesen Sie hier.
Asbest findet sich in wesentlich mehr Gebäuden, die vor dem Verbot des Gebäudeschadstoffs 1995 errichtet wurden, als bislang angenommen. Unsichtbar und dennoch tödlich steckt es in Klebern hinter alten Fliesen, in Bodenbelägen oder im verspachtelten Loch in der Wand. Sobald die entsprechenden Stellen bearbeitet werden, kommt es je nach Produkt zu hohen Asbestkonzentrationen in der Raumluft. Jährlich fordert die einstige „Wunderfaser“ in Europa geschätzte 47.000 Tote – mehr als der Straßenverkehr.
Während bei Deckenplatten oder Leichtbauplatten unter Fenstersimsen der eine oder andere noch ins Grübeln gerät oder sogar weiß, wann es sich um ein asbesthaltiges Produkt handelt, stellen Bauprodukte wie Fensterkitte oder Putze ihre Betrachter vor ein unlösbares Rätsel. Sollten Sie deshalb jetzt vor jeder Sanierung eine gutachterliche Einschätzung einholen? Oder kann man sogenannte schwachgebundene Asbestprodukte mit ein wenig Sachkenntnis doch selber identifizieren?
Vor jeder Sanierung auf Asbest testen lassen?
Bis vor kurzem lautete die Antwort auf diese Frage: Ja! Eine formelle Erleichterung hat im Dezember 2024 eine Änderung in der Gefahrstoffverordnung (GefstoffV) gebracht: In allen Gebäuden, die vor 1993 erbaut wurden, muss laut Verordnung mit Asbest gerechnet werden. Damit werden aufwändige Prüfungen für Altbauten mit einem Baujahr vor 1993 überflüssig.
Außerdem ist der Auftraggeber bzw. Bauherr unabhängig vom Baujahr verpflichtet, dem ausführenden Unternehmen alle Informationen zur Verfügung stellen, die der Klärung eines Asbestverdachts dienen können.
Sind alltägliche handwerkliche Arbeiten an alten Bauprodukten erlaubt?
Die erneuerte Verordnung erlaubt, eine Reihe von Arbeiten an asbesthaltigen Produkten in Gebäuden mit entsprechenden Schutzmaßnahmen auszuführen. Hierzu zählt beispielsweise das Fräsen von Schlitzen in Putz, um Elektroleitungen zu verlegen.
Bedingung ist allerdings, dass beim ausführenden Unternehmen eine entsprechende Sachkunde beziehungsweise Fachkunde vorliegt. Auf der Baustelle bedeutet das konkret, dass eine aufsichtsführende Person anwesend ist, die eine entsprechende Weiterbildung gemacht hat. Auch wer die Arbeiten tatsächlich ausführt braucht eine entsprechende Qualifikation. Hier reicht eine Weiterbildung zum Erwerb der Fachkunde aus. Sowohl Sach- als auch Fachkunde können in Lehrgängen, zum Beispiel bei der BG-Bau erworben werden.
Achtung!
Für umfangreichere Tätigkeiten an asbesthaltigen Bauteilen ist nach wie vor eine Sachkunde für ASI-Arbeiten nach TRGS 519 Pflicht!
Welche Schutzmaßnahmen sind bei Arbeiten an alten Fliesenklebern, Putzen, Spachtelmassen und Co. nötig?
Die nötigten Schutzmaßnahmen reichen von Persönlicher Schutzausrüstung (PSA) über bestimmte Sauger und Vorgaben zur Entsorgung. Außerdem sind je nach Arbeit bestimmt Arbeitsverfahren vorgeschrieben. Welche das sind, erfahren Handwerker in den entsprechenden Fortbildungen.
Für die Einschätzung der Asbest-Gefahr ist das ausführende Unternehmen verantwortlich
Die ausführende Firma muss selbst eine baustellenbezogene Gefährdungsbeurteilung anfertigen und auf der Baustelle vorhalten. Hierin müssen neben der Asbestbelastung auch alle anderen Gefährdungen, wie der Drittschutz, Sozial- und Sanitärräume, eingesetzte Arbeitsmittel, weitere Proben etc. beurteilt und entsprechende Schutzmaßnahmen nach dem TOP-Prinzip (Technisch-Organisatorisch-Persönlich) umgesetzt werden. Das ergibt sich aus den Paragrafen 5 und 6 des Arbeitsschutzgesetzes in Verbindung mit Paragraf 6 der Gefahrstoffverordnung.
Die Ermittlungen des Bauherrn dienen dabei als Unterstützung. Natürlich kommen Firmen, die auf diese Schritte verzichten, günstiger weg – setzen aber Gesundheit und Leben ihrer Mitarbeiter aufs Spiel. Außerdem droht bei einer Überprüfung durch die örtlich zuständigen Gewerbeaufsichtsämter, der Berufsgenossenschaft oder der zuständigen Polizeidienststellen für Umweltdelikte eine Baustellenstilllegung in Verbindung mit einem Ordnungswidrigkeiten- oder Strafverfahren, Eintragungen in das Gewerbezentralregister und weitere gebührenpflichtige Amtshandlungen.
Hintergrund
Nachdem bekannt wurde, dass sich Asbest in wesentlich mehr alten Bauprodukten „versteckt“ als lange Zeit angenommen, wurde der „Nationale Asbestdialog“ gegründet. Im Jahr 2017 diskutierten Vertreter der unterschiedlichsten Interessengruppen, wie Handwerker und Gebäudenutzer zukünftig vor den Asbestgefahren geschützt werden können. Es gab damals noch weder ein Gesetz, das Bauherren zur Erkundung verpflichtete, noch ein Gesetz, das den Umgang mit Asbestverdacht in Altbauten im Zusammenhang mit eher alltäglichen Instandhaltungs – und Instandsetzungsmaßnahmen regelte. Vielfach machten Handwerker die Erfahrung, dass ein von ihnen geäußerter Asbestverdacht nicht ernst genommen wurde.
Mit der neuen Regelung in der GefstoffV (Stand 1.2025) müssen alle Arbeiten in Gebäuden der Baujahre vor 1993 unter Anwendung von Schutzmaßnahmen ausgeführt werden. Das spart Diskussionen über Verantwortlichkeiten und womöglich dort viel Geld, wo umfangreiche Tests entfallen.
Asbestverdacht: Sprechen Sie mit Ihrem Kunden!
Informieren Sie Ihren Bauherren/Kunden, wenn er sich mit dem Thema nicht auskennt. Bieten Sie an, sich um die Abklärung zu kümmern, und berufen Sie sich im Zweifelsfall auf die geltenden Arbeitsschutzgesetze und Ihre Pflicht, eine Gefährdungsbeurteilung zu erstellen.
Ein weiteres Argument kann für unwissenden Haus- oder Wohnungsbesitzer sein, dass sich durch die Sanierung freigesetzte Asbestfasern in der Raumluft befinden oder bei selbst ausgeführten Reparaturen zur Gefahr werden können.
Asbest im Fliesenkleber? Diese Produkte enthielten früher Asbest
Neben typischen Produkten wie Welleternit-, Promabestplatten oder Spritzasbest gibt es gerade im Arbeitsbereich von Malern, Trockenbauern, Boden- und Fliesenlegern und Schornsteinfegern diverse ehemals asbesthaltige Produkte. Das sind zum Beispiel:
- Putze, Dekorputze
- Spachtel-/Ausgleichs-/Reparaturmassen
- Farben (Korrosionsschutz, Dispersion)
- Gewebe, Schnüre, Dichtungen, Stopfmassen
- Dachpappen
- Tonerdeisolierungen
- Fliesenkleber
- Fensterkitte
- Dünnbettmörtel
- Steinholzestriche
die zum Teil weniger als ein Masseprozent Asbest enthalten, dessen Vorkommen inhomogen verteilt ist. Dennoch kann es beim Bearbeiten dieser Produkte zu sehr hohen Faserkonzentrationen in der Raumluft kommen. Auch das haben jüngere Untersuchungen gezeigt.
Verbotene Arbeitsverfahren bei Asbest beachten
Zu den generell verbotenen Arbeitsverfahren an asbesthaltigen Produkten zählen Abschleifen, Druckreinigen, Abbürsten und Bohren sowie Überdeckungs-, Überbauungs- und Aufständerungsarbeiten an Asbestzementdächern und Wandverkleidungen. Seit neuestem dürfen auch asbesthaltige Bodenbeläge nicht mehr überdeckt werden. Auch Reinigungs- und Beschichtungsarbeiten an unbeschichteten Asbestzementdächern und -wandverkleidungen sind verboten. Asbesthaltige Gegenstände und Materialien, die bei der Arbeit anfallen, dürfen nicht weiterverwendet oder über den Hausmüll entsorgt werden. Diese Arbeiten sind auch Nutzern verboten, die eine (Miet-)Wohnung selbstständig renovieren.
Ausnahmen: Fest gebundene Asbest-Produkte dürfen entfernt werden
An fest gebundenen Asbestprodukten, wie asbesthaltigen Dachplatten auf Gartenlauben oder Außenwandbekleidungen, dürfen manche Abbruch-, Sanierungs- und Instandhaltungsarbeiten sogar von Privatpersonen ausgeführt werden. Aber auch hier gelten besondere Regeln! Weitere Informationen finden Sie im Beitrag zu Asbest selbst entfernen.
Neben Asbest weitere Schadstoffe beachten
Asbest ist nur einer von vielen Schadstoffen, die bei Gebäudesanierungen freigesetzt werden können. Häufig kommen mehrere von ihnen parallel vor. Wird ein Gebäudeschadstoffkataster angefertigt, findet natürlich nicht nur Asbest Berücksichtigung. Ein weiterer häufiger Gefahrstoff ist zum Beispiel KMF („alte“ künstliche Mineralfasern in Stein- oder Glaswolle).
Autor:in:
Stefan Johannsen, Dipl.-Biologe
Pauline John, Redaktion Ausbaupraxis